Mein Beitrag zur Blogparade der Bildungspunks:
„Neue Raumkonzepte für Klassenzimmer“ beschäftigen mich in letzter Zeit sehr intensiv. Ich arbeite schon viele Jahre (Jahrzehnte 😉 an der selben Schule und hatte bisher immer einen eigenen Raum, da ich auch immer Klassenlehrer war und bin. Mehrmals habe ich den Raum schon gewechselt wegen Sanierung, Umstrukturierung usw., aber immer kam ich in den Genuss, einen eigenen Raum zu haben. In den natürlich auch andere Kollegen kommen, wenn ich im Physikraum unterrichte, aber es ist MEIN Raum. Für meine Klassen war das immer automatisch auch der Klassenraum, indem WIR zusammen Mathe haben und für den WIR gemeinsam die Verantwortung tragen. Die Klassen wandern, da wir aber seit vielen Jahren Blockunterricht haben, haben die meisten Schüler nur 2 Pausen, höchstens mal drei (bei 4 Blöcken). Ich traue einfach allen Schülern diese Selbständigkeit zu.
Seit 3 Jahren sind wir aufsteigende Gemeinschaftsschule, nächstes Jahr dann also Klasse 5-8. Eine tragende Säule unseres Gemeinschaftsschulkonzeptes ist die Teamarbeit. Schüler sollen sooft wie möglich im Team arbeiten. Auch die KollegInnen versuchen als Team zusammenzuarbeiten. Das ist jedoch nicht einfach, weil man ja meist in mehreren Klassenstufen unterrichten muss. In den Klassen stehen Teamtische mit bis zu 6 Plätzen. Gestartet sind wir 2014 mit Klasse 5 in der untersten Etage. Danach ziehen die Klassen jedes Jahr eine Etage höher. Nächstes Jahr ist also in Etage 4 Schluss, später dann sollen 9 und 10 wahrscheinlich in die Seitentrakte des Gebäudes. Das bedeutet, dass jeder Klassenlehrer JEDES Jahr umzieht. (Ich finde das einfach nur unvernünftig, diese Belastung noch zusätzlich zu erzeugen.)
Ich muss also aus meinem Raum raus. Meine digitale Tafel (eine von dreien an der Schule) werde ich zurück lassen müssen und kann nur hoffen, dass die nächsten KuK diese intensiv nutzen. (Ja ich weiß, es ist nicht meine private Tafel, aber ich bin traurig über diesen persönlichen Rückschritt.)
Da ich dieses Jahr fast nur in 9 und 10 Unterricht hatte, konnte ich viel in meinem Raum sein, mit allen Materialien (Differenzierung, Anschauung, Spiele, Bastelkram usw.) Zum 2.Halbjahr übernahm ich eine 7.Klasse in Mathe und musste somit in deren Klassenraum. Und meine theoretischen Einwände gegen das Klassenraumprinzip darf ich nun praktisch erfahren. Leider werde ich in meiner Enttäuschung bestätigt…
- Jedesmal Technik umbauen, wieder abbauen.
- Kein Anschauungsmaterial im Raum (z.B. geometrische Körper) oder hin- und herschleppen)
- Bei Pausenaufsicht also schnell zusammenpacken, runter hetzen, wieder in den nächsten Raum.
- usw.
Ihr kennt das und werdet sagen: Das ist bei uns Alltag. Ich lese aber auch, dass sich viele andere Kollegien das Lehrerraumprinzip wünschen, weil es unseren Lehreralltag entstresst und die Unterrichtsqualität dadurch erhöht wird. Denn meine innerste Überzeugung ist:
Nur wenn es mir als Lehrer gut geht, wird es auch den Schülern gut gehen. Nur wenn ich als Lehrer so entspannt wie möglich arbeiten kann, gelingt es mir, geduldig, gelassen und humorvoll den Schülern zu begegnen. Das Lehrerwohlbefinden muss an erster Stelle stehen. Dann ist alles andere einfacher zu lösen.
Das Gemeinschaftsschulkonzept soll neben dem Fortschreiben eigentlich auch jedes Jahr auf den Prüfstand. In einem ZUMpad zum Raumkonzept unserer Schule habe ich den Kollegen angeboten, Pro und Kontra zu sammeln. Das wurde besonders von den Befürwortern des Lehrerraumprinzips genutzt, hat aber nichts genützt. Das Klassenraumprinzip steht im Konzept. Basta…
„Das haben wir schon immer so gemacht!“ Dieser Satz ist bei progressiv denkenden Lehrern (zu denen ich mich auch zähle) negativ belegt und nicht gern gehört. Es gibt aber auch Beispiele wie unser Raumthema, da möchte ich ihn am liebsten selber sagen. Das schließt nicht aus, dass ich grundsätzlich sehr aufgeschlossen für Neues bin und gern probiere und experimentiere. Wenn jedoch Bewährtes geändert werden soll, was die Arbeit echt erleichtert hat, dann tue ich mich schwer. Das kreative Experimentieren ist leichter, wenn ich mich um Grundlegendes nicht mehr kümmern muss. In meinem Montessoristudium ging es neben der vorbereiteten Umgebung als dritter Pädagoge vor allem auch darum, die Individualität jedes einzelnen zu stärken. Mit dem Klassenraumprinzip fühle ich mich in meiner Individualität nun leider stark eingeschränkt. So wie wir bei Schülern die Stärken stärken wollen, sollten wir das bei den Kollegen auch tun. Nur so kann man deren Potential wertvoll ausschöpfen.
Unsere jungen Kollegen schleppen tapfer Massen an Material umher. Das will ich einfach nicht mehr. Ich brauche meine Pause als echte Pause!!!
Nun aber nach vorne schauen:
Ich habe für das nächste Jahr doch noch das Glück, neben dem Physikraum einen Raum zu beziehen, in dem ich wieder heimisch werden könnte. (Zumindest zeitweise, wenn ich die 9.und 10. noch Sekundarschulklassen unterrichten darf und wenn ich mir untere Klassen da einfach hin hole und Raummeuterei betreibe;-)) Ich werde für eine neue digitale Tafel kämpfen und bis dahin auf Beamer und Laptop zurück greifen und werde mich mit neuem Elan an die Raumgestaltung stürzen und Wohlfühlatmosphäre herstellen. Nächstes Jahr sind meine Schüler in der 10.Klasse und WIR werden noch 1 Jahr UNSEREN (meinen) neuen Raum wie üblich nutzen können.
Wenn es uns in Zukunft gelingt, unsere Schule in Richtung Lernbüros zu entwickeln, könnte ich vielleicht auch wieder mit den neuen Raumgegebenheiten versöhnt werden. Dazu müsste aber noch eine kleine Schulrevolution bei uns statt finden. Öffnung der Räume, Umwandlung von doch eher langweiligen Wochenplänen in individualisierte Lernpläne, die der großen Heterogenität unserer Schülerschaft gerecht werden.
In meiner Vorstellung gibt es die ideale Schule schon. In der Realität ist noch einiges zu tun!
Dieser Artikel ist doch viel persönlicher geworden als ich dachte, aber um meine Gedanken zu Raumkonzepten zu ordnen, war das mal nötig. Hilft mir sehr, inneren Frieden mit der ungeliebten Situation zu schließen und nach vorne zu schauen. Wieder mal Danke für euer wertvolles Format, liebe bildungspunks und die Inspiration zum Bloggen.
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